St. Pölten und das Krauthappel
Der Manfred Hartl — seines Zeichens Fremdenführer in St. Pölten — ist schuld, dass mich dieses Thema nicht losgelassen hat. Es geschah heuer am Tag der Fremdenführer:innen Anfang März in der Kremser Gasse Nr. 41 in St. Pölten. In der Zwischenzeit habe ich ein paar Recherchen angestellt und ein paar nette Details herausgefunden. Kellerfunde nach dem Hochwasser letztes Wochenende (Sept. 24) haben noch zusätzliche Infos und damit Ergänzungen gebracht. Ihr habt es eh schon erraten, es geht um das Stöhr-Haus, auch als Olbrich-Haus bekannt.
Dr. Hermann Stöhr (1862–1949) war Chirurg und der 1. Primarius der Chirurgie des St. Pöltner Krankenhauses (KH). 1903 bis 1926 war er auch dessen Direktor. Das KH wurde 1856 gegründet und in der Schmidgasse 1 untergebracht. 1895 übersiedelte es in einen Neubau im Norden der Stadt mit 150 Betten, die in Pavillons unterbracht waren. Zum Vergleich: Das heutige UK St. Pölten verfügt über ca. 1150 Betten.
Besagter Primar Stöhr lies sich kurz vor der Jahrhundertwende, genau gesagt 1899, in der Kremser Gasse ein Wohn- und Geschäftshaus errichten. Zu dieser Zeit war Jugendstil angesagt, ein passender Architekt wurde gesucht. Ernst Stöhr (1860–1917), der Bruder des Bauherrn, war Künstler und Gründungsmitglied der Wiener Secession. Dadurch hatte er Kontakt zu Künstlern wie Gustav Klimt, Otto Wagner und auch dessen Mitarbeiter Joseph Maria Olbrich. Olbrich hat 1898 das Gebäude der Wiener Secession — in Wien liebevoll das Krauthappel genannt — entworfen. Elemente wie zwei Blattkugeln rechts und links auf einer Brüstung erinnern an die Kuppel der Wiener Secession. Vermutlich hat Ernst Stöhr den Kontakt zwischen Olbrich und seinem Bruder hergestellt. Ernst selbst hat an der künstlerischen Gestaltung der Fassade führend mitgearbeitet. Dabei besonders hervorzuheben ist die Frauenfigur mit Medizinschale und Schlange. Ein Mörtelschnittrelief, als Ausdruck des Berufs des Hausbesitzers, die Medizin.
Das Stöhr-Haus rief nach seiner Fertigstellung geteilte Reaktionen hervor und wurde vielfach als das hässlichste Haus St. Pöltens gesehen.
Wen das Thema näher interessiert, ich habe folgende Quellen zu Rate gezogen:
- Österreichisches Städtebuch, Musterbeispiel St. Pölten
- Niederösterreichischer Kulturführer St. Pölten
- Werden und Wesen der Stadt St. Pölten
- Österreichische Kunsttopographie St. Pölten
- Katalog der Gedächtnisausstellung Ernst Stöhr (1962 in St. Pölten)
- Webseiten der Wiener Secession, Wien Wiki, Wikipedia